Schade, dass es so enden musste!

Malu Dreyer 2018 bei der freudigen Verkündung des Entlastungsbudgets Teil 1

„Genauso wichtig ist es mir zu sagen, dass wir natürlich auch für die pflegenden Angehörigen Entlastungen schaffen werden, z.B. dadurch, dass wir ein Jahresbudget schaffen werden, in dem Leistungen der Kurzzeit-, Verhinderungs- und Tagespflege einfach in einem großen Budget unkompliziert in Anspruch genommen werden können, ohne dass die Angehörigen wegen jeder Inanspruchnahme Anträge stellen müssen.“

Durch die von der GroKo ursprünglich geplante Hinzunahme der Tagespflegebudgets wurden stolze Leistungen von fast 30.000 Euro versprochen. Eine deutlich reduzierte Variante wurde im Entwurf der Pflegereform von Jens Spahn aufgenommen und später gelöscht. Der damalige Finanzminister Olaf Scholz hatte die Mittel dafür nicht freigegeben, wurde kolportiert.

In wesentliche Teilen wurde der Entwurf aber in die jetzige Gesetzgebung überführt (inklusive des Namens gemeinsamer-jahresbetrag.de).

Grosses Entlastungsbudget der GroKo

Karl Lauterbach 2023 bei der freudigen Verkündung des Entlastungsbudgets Teil 2 ab 2025 für alle.

 

Karl Lauterbach verkündigt das Entlastungsbudget im Bundestag

… WIR entlasten die Angehörigen!

In den Reden im Bundestag wurde von den Politiker/innen der Ampel immer wieder betont, dass DIESE Koalition mit der neuen Pflegereform ENDLICH das flexibel zu nutzende Entlastungsbudget geschaffen hat, das nun den Sorgenden und Pflegenden Angehörigen mehr Entlastung bringen soll. Also konkreter gesagt: in 24 Monaten.

Unter dem Strich könnte auch formuliert werden, dass allen Familien endlich nach 8,5 Jahren (2017 bis Juli 2025) das Recht eingeräumt wird, genauso viel Budget für die Verhinderungspflege zu nutzen, wie sie es bisher schon immer umgekehrt auch für die Kurzeitpflege nutzen konnten. Nicht mehr, nicht weniger!

Gemeinsamer Jahresbetrag

… das Entlastungsbudget kommt 2024!

Wir nehmen gerne an, dass es ein Herzenswunsch der verantwortlichen Politiker war. Die klitzekleine Minderheit von 1,5 % aller Pflegebedürftigen unter 25 Jahren mit Pflegegrad 4 oder 5 soll in besonderer Weise vom Entlastungsbudget profitieren. Die Segnungen der zusätzlichen 80 Euro mehr monatliches Budget für die Verhinderungspflege kommt für sie bereits 18 Monate vor allen anderen.

Wir unterstellen auch nicht, dass damit der Eindruck geweckt werden sollte, dass schon sechs Monate nach Erhöhung der Beiträge für die Pflegeversicherung zum 1.7.2023 sich die Pflegereform positiv auswirken wird. Aber leider spiegelt das Medienecho genau diese Wirkung wider.

Der Preis hierfür ist hoch. Die damit verbundene deutliche Ungleichbehandlung der Menschen führt bereits jetzt schon zur Spaltung der Angehörigen und zu einer Neiddebatte in den sozialen Medien.

Der Frust der so Benachteiligten ist bedauerlicherweise zum Teil auch verständlich, da viele andere Teilgruppen heute ebenfalls keine Chancen haben, in ihren Regionen einen Platz für die Kurzzeitpflege zu finden, wenn sie diesen benötigen würden – nicht nur die Eltern von jüngeren Kindern mit schwersten Beeinträchtigungen.

 

 

18 Monate mehr VHP möglich

… die stufenweise Einführung …

Gewollt oder ungewollt: die mediale Berichterstattung spricht von einer stufenweisen Einführung. Was natürlich stimmt. Es ist nur leider eine seeehr große Stufe, über die keiner spricht oder schreibt.

ZDF stufenweise Einführung

2 Fragen an die Ampel-Politiker/innen:

1.) Warum kommt das Entlastungsbudget erst zum 1.7.2025 und nicht bereits zum 1.1.2025, wenn es nicht schon 2024 für alle kommt?

Worin liegt der Nutzen, die Regelungen erst ab Mitte 2025 wirksam werden zu lassen? Wer profitiert hiervon?

Für die Ausgabenstatistik 2025 kann das doch keine Rolle spielen? Die maximal ausschöpfbare Jahressumme bleibt doch auf jeden Fall gleich. Das im ersten Halbjahr von den Familien verwendete Budget wird einfach beim „Gemeinsamen Jahresbetrag“ ab 1.7. angerechnet. Was sie bis zu diesem Datum verbraucht haben, wird vom dann neuen Gesamtbetrag von 3.539 € abgezogen. Keine Einsparung also für die Pflegekassen.

Liquiditätsschonend kann die Regelung auch nicht sein, da die Betroffenen theoretisch weiterhin bis zu 2.418 Euro des Gesamtbetrages bereits in den ersten sechs Monaten für die Verhinderungspflege verwenden können. Wenn sie die Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen möchten, sogar die vollen 3.386 €. Lediglich 32 % blieben dann für das zweite Halbjahr eingespart.

Eine simple Sonderregelung von 50/50 je Halbjahr wäre hier deutlich effektiver und extrem unbürokratischer gewesen – wenn Liquiditätsprobleme den Stichtag 1.7.2023 begründen würden.

Was jetzt auf alle Stakeholder, insbesondere für die Pflegeversicherungen, Versicherte sowie deren Sorgenden und Pflegenden Angehörigen, zukommt, ist ein enormer administrativer Aufwand mit zwei unterschiedlichen Regelungen innerhalb eines Haushaltsjahres.

Ein zusätzlicher Beratungsbedarf sowie Administrationsaufwand für alle Pflegebedürftigen und deren Angehörigen. Das Gleiche droht den Mitarbeitern der Pflegeversicherungen, verbunden mit zusätzlichen Anpassungen der Abrechnungssoftware.

Eigentlich steht der Name der Pflegereform für eine gegensätzliche Zielsetzung: Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG).

2.) Warum wird die Vorpflegezeit erst zum 1.7.2025 und nicht bereits zum 1.1.2024 für alle abgeschafft?

Die Begründung zur Abschaffung der sechsmonatigen Vorpflegezeit im Anhang zum Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) hätten wir nicht korrekter formulieren können:

„Die Abschaffung der Vorpflegezeit dient vor allem zur Entlastung der Pflegebedürftigen und der Pflegepersonen, da diese eine notwendige Ersatzpflege nicht mehr in Abhängigkeit von der Vorpflegedauer ggf. anders organisieren müssen. So ist es, wenn eine Pflegeperson innerhalb der ersten sechs Monate der häuslichen Pflege plötzlich erkrankt, nicht mehr erforderlich, eine vollstationäre Kurzzeitpflege als Ersatzversorgung in Anspruch zu nehmen, sondern die Ersatzpflege kann auch beispielsweise zu Hause im Rahmen der Verhinderungspflege organisiert werden. Dies bietet erweiterte Möglichkeiten, auch andere Ersatzpflegende einzusetzen. Außerdem entspricht dies den Bedürfnissen insbesondere kognitiv beeinträchtigter Menschen, die durch einen Ortswechsel ggf. belastet werden.
Gleichzeitig entfällt bei der Verhinderungspflege damit ein Prüfschritt, sodass der Wegfall der Vorpflegezeit auch zur Entbürokratisierung beiträgt.“

Hier sind gleich mehrere hervorragende Argumente für die betroffenen Stakeholder aufgelistet, die die Pflegesituation SOFORT für alle erleichtern würden.

Im Sinne einer möglichen Kosteneinsparung ist es geradezu widersinnig, wenn den Familien die Kurzzeitpflege vom System für die ersten 6 Monate zur Entlastung aufgezwungen wird. Ohne Probleme können in dieser Zeit die kompletten 3.386 € zum Einsatz kommen. Zusätzlich werden dann die Eigenanteile mit den möglichen 750 € aus dem Entlastungsbetrag finanziert, insgesamt bis zu 4.136 €. 

Kann erklärt werden, warum lediglich 1,5 % der Pflegebedürftigen in wenigen Monaten (endlich) von der Notwendigkeit einer Vorpflegezeit befreit werden, und die restlichen 98,5 % der Betroffenen noch 18 Monate auf diese Erleichterung weiter warten müssen? Da keine Statistik über die Anteile und Altersgruppen bei Ersteinstufung zum Pflegegrad bekannt ist, wurde die Jahresstatistik zu Hilfe genommen. Die Relationen dürften ähnlich sein.

Wurden für die Entscheidung, die Vorpflegezeit für alle erst ab 1. Juli 2025 einzuführen, tatsächlich finanzielle Aspekte berücksichtigt? Wenn ja, sind diese wirklich so bedeutsam, dass die vom Ausschuss für Gesundheit trefflich formulierten Gründe (siehe oben) nachrangig für 98,5 % der Pflegebedürftigen zu bewerten waren?

Wenn Sie die Antwort auf diese Fragen kennen, freuen wir uns über Ihre Begründung:

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