Pflegende Angehörige fühlen sich verarscht.
Kornelia Schmid sagt WARUM ?

Kornelia Schmid zum PUEG im BR TV

Seit 2017 setzt sich der Verein Pflegende Angehörige e.V. für ein „gerechtes Entlastungsbudget“ ein. Als Vorsitzende und selbst jahrelange Pflegende Angehörige stecke ich seit über 20 Jahren tief im Thema. Hier meine Erfahrungen:

Am 1.1.2018 verkündete die damalige SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer die Umsetzung eines unkomplizierten Jahresbudgets, um den „Pflegedschungel“ leichter zu machen. Es sollte die Verhinderungs-/Kurzzeitpflege und Tagespflege zusammengeführt werden.

Mai 2018 stand die ich dem damaligen Gesundheitsminister Spahn gegenüber und forderte dies ein. Die Antwort war: „Wir wollen das Entlastungsbudget jetzt genauso schnell angehen wie die Verbesserung der Situation für die Pflegekräfte.“
Auf den eigens vom Verein entwickelten Vorschlag eines gerechten Entlastungsbudgets reagierte Herr Spahn damals sehr positiv und die Hoffnung auf etwas Verbesserung in der häuslichen Pflege war groß.

Dann kam Corona. Die Pflegenden Angehörigen mussten Opfer bringen und auf Vieles verzichten. Sie mussten weit über ihre Grenzen gehen in diesen Krisenzeiten. Doch leider wurden sie kaum erwähnt von der Politik. Sie hatten zu funktionieren. Nach Wegfall des versprochenen Entlastungsbudgets war dies sehr bitter, die HOFFNUNG zerbrach, der Frust, die Enttäuschung stieg.

Dann kam 2021 die Wahl des neuen Bundestags. Im Koalitionsvertrag der AMPEL-Regierung wurde wiederum ein Entlastungsbudget festgeschrieben. Die HOFFNUNG stieg wieder aufs Neue, wenn auch der Glaube verhalten war aus der bitteren Vorerfahrung.

Dann kam der Ukraine-Krieg und die schon während Corona gestiegenen Preise stiegen wieder, vor allem um lebenswichtige Grundbedürfnisse nach Nahrungsmittel, Wärme, Wohnen und Pflege. Hohe Heizungs-/Stromkosten wurden umgelegt auf die schwächsten Glieder in der Pflege-Kette, die Pflegebedürftigen, die oft 24 Std. Zuhause sein MÜSSEN.

Die Preise der Dienstleister stiegen, was eine Leistungskürzung bedeutete. Wo früher für Kurzzeitpflege noch 11 Tage möglich waren wurden es nun nur noch 9. Dies wurde nie von Gesellschaft und Politik wahrgenommen. FAKT ist, dass die Pflegenden Angehörigen und ihre zu Pflegenden in Krisenzeiten stets zurückstecken mussten, auf Kosten ihrer eigenen Kräfte.

Gleichzeitig ihren geringen Wert hier zu spüren, ständig zu hören, dass sie doch Pflegegeld erhalten, was definitiv eine Falschaussage ist (auch vom jetzigen Gesundheitsminister Lauterbach), und teilweise in eine „Missbrauchsecke“ geschoben zu werden, tat sehr weh, nahm weiterhin die Hoffnung auf Verbesserungen und demotivierte.

Dann kam der erste Entwurf des PUEG (Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz) im Februar 2023. Darin war ein „kleines Entlastungsbudget“ enthalten, die Hinzuziehung der bisher nicht möglichen 45,4% Kurzzeitpflegebeitrages bei Nichtnutzungsmöglichkeit zur Verhinderungspflege. Dies wäre schon während Corona so unglaublich wichtig gewesen, da die Heime geschlossen hatten und diese Leistung somit verfiel.
Das sehnsüchtig erwartete Entlastungsbudget machte Hoffnung, die jedoch im April 2023 wieder jäh zerstört wurde bei der Feststellung, dass diese jahrelange wichtige Forderung wieder erneut unter den Tisch gekehrt wurde.

Wieder Zerstörung einer erneuten HOFFNUNG, wieder FRUST, TRAUER, DEMOTIVATION bis zur reellen Aufgabe vieler Angehöriger der Pflege zu Hause. Jeder, der seine Lieben in ein Heim geben muss kostet dem Staat viel Geld bei „Hilfe zur Pflege“. Denn die Kosten sind sehr hoch und kaum Jemand kann sich den Eigenanteil von rund 2.500,- € im Monat leisten.

Gleichzeitig sind Pflegende Angehörige auch um eine seit 2021 ausstehende Pflegegeld-Erhöhung betrogen worden. Im Koalitionsvertrag der AMPEL wurde dann versprochen, das Pflegegeld ab 2022 regelhaft zu dynamisieren. Pustekuchen. Diese Erhöhung steht bis heute aus. Die versprochenen 5 % sollen jetzt erst ab 2024 erhöht werden, die Dynamisierung erst ab 2025. Wie Jeder weiß galoppieren die Preise davon.

Auch dies wurde im PUEG-Entwurf von letzter Woche zu Ungunsten Pflegebedürftiger verändert. Die geplante Dynamisierung um 5 % ab 2025 wurde um 0,5 % gekürzt. Mit dieser Einsparung finanzieren wir uns dann selber, das ab Mitte 2025 verfügbare kleine Entlastungsbudget. Auch die mögliche Entlastung für die Sachleistung soll um 0,5 % auf nur noch 4,5 % ab 2025 reduziert werden, was die gestiegenen Preise in keinster Weise abdeckt.

Die unterschiedliche Behandlung Pflegebedürftiger nach Kindern ab Pflegegrad 4, die das Entlastungsbudget schon ab 1.2024 erhalten sollen und Erwachsenen dann ab Mitte 2025 ist für uns nicht zu verstehen und einzusehen. Dies schafft Unmut und ist nicht zu verstehen und zu akzeptieren bei all dem, was Pflegende Angehörige in all den Jahren auf sich nehmen mussten. Einfach ungut.

Weiter blickt kein Mensch mehr durch. Das gesamte Pflegesystem wird immer verwirrender, verrückter. Der Unmut gegen die Politik wächst, ebenfalls die Politikverdrossenheit.
Wer kann das Alles noch verstehen? Ein ständiges Wirrwarr.
Der Sinn eines PUEG sollte sein, zu vereinfachen. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Wenn auch die Wieder-Einführung letzte Woche eine Freude bei vielen auslöst, die dies nun nutzen können.
Bei wem können wir uns BEDANKEN dafür? Bedanken für etwas, was seit Jahren versprochen, dann gekürzt, dann an anderer Stelle wieder eingespart wird?
Es ist nicht in Worte zu fassen, was dies mit all den Pflegenden macht, der GRÖßTEN STÜTZE in unserem Pflegesystem. Hier möchte ich auf unseren ersten Satz mit einem Wort, das ich nicht gerne in den Mund nehme (vera….) verweisen.
WEM SOLLEN WIR NOCH VERTRAUEN ? Ich habe persönliche Gespräche mit Jens Spahn geführt. Mit der FDP, SPD, mit den GRÜNEN. Herr Spahn von der CDU gab für das Scheitern des Entlastungsbudgets dem damaligen Finanzminister die Schuld. Herr Lauterbach und das Umfeld der SPD geben JETZT dem Finanzminister die Schuld. Vor jeder Wahl wird von allen Parteien betont, wie absolut systemrelevant wir Pflegenden Angehörigen für die Sicherstellung der Pflege in Deutschland sind. Nach der Wahl spüren wir nur noch wenig davon.
WEM sollen die 5 Millionen Pflegebedürftigen und ca. 4 Millionen Pflegenden Angehörigen ihre Stimme 2025 geben?
MÜSSEN WIR DENN WIRKLICH EINE EIGENE PFLEGEPARTEI FÜR DEUTSCHLAND GRÜNDEN?